Der abgeschaltete Forschungsreaktor von Geesthacht

Switched-Off Research Reactor Of Geesthacht

Am 23. Oktober 1956 begann für die norddeutschen Küstenländer 30 km östlich von Hamburg das Zeitalter der Atomforschung, als der Forschungsreaktor FRG-1 als zweiter Kernreaktor Deutschlands zum ersten Mal kritisch wurde.

Feierlicher Festakt vor dem Kühlturm (auf dem Rednerpult: Prof. Bagge)
Feierlicher Festakt vor dem Kühlturm (auf dem Rednerpult: Prof. Bagge)
Einweihung des Reaktors in der Experimentierhalle
Einweihung des Reaktors in der Experimentierhalle

54 Jahre lang diente die Anlage der GKSS (Gesellschaft für Kernenergieverwertung in Schiffbau und Schiffahrt mbH) in Geesthacht zunächst zur Entwicklung des Atomantriebs des einzigen deutschen Atomschiffs "Otto Hahn", das 1964 vom Stapel lief und bis 1979 im Einsatz war. Noch heute lagert auf dem Gelände des inzwischen zum Helmholtz-Verbund gehörenden Forschungszentrums der strahlende Reaktordruckbehälter der „Otto Hahn“ in einem Betonschacht. 

 

Der Forschungsreaktor – von 1963 bis 1993 sogar mit zwei unabhängigen Reaktorkernen bestückt – diente nicht der Stromerzeugung, sondern als Neutronenquelle für die Untersuchung von Bauteilen aus Atomreaktoren und zur allgemeinen Materialforschung (z.B. zerstörungsfreies Durchleuchten von Kühlschränken im Betrieb, um die Geräuschentwicklung der Kompressoren zu vermindern).

 

Am 28. Juni 2010 wurde der Forschungsreaktor endgültig abgeschaltet. Die Brennelemente wurden zurück an den Hersteller in die USA gebracht und der kernbrennstofffreie Reaktor sowie die „Heißen Zellen“ befinden sich im Moment in der Nachbetriebsphase, bevor der 30 Jahre dauernde Rückbau beginnt.

 

Noch immer nicht restlos aufgeklärt sind Hinweise und Vermutungen, dass bei einem Unfall im Forschungszentrum im September 1986 radioaktive Partikel freigesetzt worden sein könnten, die insbesondere auf der gegenüberliegenden niedersächsischen Elbseite zu einem signifikanten Anstieg von Kinderleukämie geführt haben könnten. Es gibt aber Anlass zur Hoffnung, dass im Rahmen des technischen Rückbaus der Nuklearanlagen auch diese Altlasten der Gerüchte und Vermutungen nachvollziehbar geklärt und endlich nach mehr als 25 Jahren aufgearbeitet werden. 

 

Einzigartig in Deutschland ist, dass die Geschäftsführung und die Öffentlichkeitsarbeit des jetzigen Helmholtz-Zentrums Geesthacht (HZG) freiwillig eine Begleitgruppe aus Bürgern und Umweltschützern ins Leben gerufen haben, die sowohl die Planung als auch die einzelnen Schritte des Rückbaus im Dialog mit dem HZG kritisch begleiten und hinterfragen wird. Diese Bemühung um Transparenz könnte den großen Energieversorgern als Musterbeispiel für den anstehenden Rückbau ihrer stillgelegten Leistungsatomreaktoren dienen.