Die Altlasten des "VEB Chemiefabrik"

Contaminated Sites Of An Abandoned Chemical Plant

Bilder voller eigenwilliger Komplementärfarben aus einer stillgelegten Chemiefabrik

Messprotokolle der Chemiefabrik
Messprotokolle der Chemiefabrik

Seit 1838 schon wurden auf dem Grundstück der „Knochenmühle Neukranz“ in der Gardelegener Straße die ersten Düngemittel hergestellt, zunächst als Knochenmehl. Ab 1862 produzierte die "Chemische Fabrik Albert Neukranz" dann Phosphatdünger aus Tierknochen und Säure und schließlich ab 1880 Superphosphat aus nordafrikanischem Rohphosphat und konzentrierter Schwefelsäure. 

Während dieser Jahre entwickelte sich die Chemiefabrik zum größten Industriebetrieb der westlichen Altmark. 

 

1898 wurde eine eigene Schwefelsäurefabrik gebaut und 1903 der eigene Eisenbahnanschluss eingerichtet, sodass die Anlieferung der Rohstoffe und der Absatz des fertigen Düngers wesentlich erleichtert wurden. 

 

1942 wurde auf dem Betriebsgelände ein Barackenlager für Zwangsarbeiter des Chemiewerks errichtet. Zwischen Juli 1944 und April 1945 wurden die zwölf Baracken als eine Außenstelle vom KZ Neuengamme genutzt: 1.520 jüdische Frauen aus Ungarn, Polen und Griechenland hausten hier und mussten in der nahen "Draht- und Metallfabrik Salzwedel" in 12-Stunden-Schichten kriegswichtige Infantriemunition herstellen. 

 

In der DDR wurde der Betrieb in „VEB Chemiefabrik“ umgewandelt und verarbeitete überwiegend das Fluorapatit aus dem russischen Kola mit konzentrierter Schwefelsäure in der Nassproduktion zu Superphosphatdüngern. 

Anwohner berichten, dass an Tagen der Fabrikhochproduktion die auf der Wäscheleine trocknenden „Dedralon-Strumpfhosen“ zu kleinen Kunststoffklumpen zusammenschmolzen und dass im Laufe der Jahre die Fensterscheiben immer matter wurden - beides direkte Folgen der aggressiven Fluoridsäure (Flusssäure, HF), die bei der Phosphataufbereitung in großen Mengen entsteht und offensichtlich kaum aus den Abgasen herausgefiltert wurde. 

 

Wenige Jahre nach der Wiedervereinigung wurde die Fabrik geschlossen und die Maschinen größenteils demontiert. Doch noch heute ist das Gelände hochgradig mit Phosphor- und Stickstoffverbindungen belastet und aus dem Abwasserkanal strömt nach jedem Regen in den Fluss Jeetze eine rotbraune, schäumende Brühe, die ähnlich riecht wie frisch angezündete Streichhölzer ...