Fotoausstellung "Faszination Baum"

Photo Exhibition "Fascination Of Trees"

aus: "Altmark Zeitung", 11.09.2012
aus: "Altmark Zeitung", 11.09.2012

„Haben Sie irgendwelche schönen Bilder zum Thema Holz?“, so fragte mich die Stimme am Telefon. „Zum Tag des offenen Denkmals würden wir bei der Urania gerne eine Fotoausstellung über Holz präsentieren.“ 

Ich überlegte angestrengt. „Holz? Totes Holz? Warum nicht Holz in seiner schönsten Form zeigen und die Faszination der Bäume mit der Kamera einfangen?“ Und schon war das Konzept für diese Ausstellung geboren...

 

Für die einen sind es nur „ausdauernde, mindestens fünf Meter hohe Holzgewächse mit ausgeprägtem Stamm und bevorzugtem Längenwachstum an den Spitzen des Sprosssystems“ (so sagt das Lexikon), für die anderen sind es mystische Geschöpfe, die seit Jahrtausenden die verschiedenen Kulturen faszinieren. Sie liefern uns Nahrung, Heilmittel, Sauerstoff, Holz als Brennmaterial und Bau- und Werkstoff und so viel mehr. 

 

Für den kreativen Träumer und für den Naturfreund ist ein Baum ein Wunderwerk der Schöpfung mit Ästen und Zweigen, in denen der Wind 

rauscht, mit dem Duft der Blüten im Frühling, mit leuchtenden Farben im Sommer und Herbst, mit dem Geruch von vermoderndem Laub und mit knorrigen Stämmen, in deren Formen die Zeit geronnen zu sein scheint. 

 

Bäume bestimmen seit Urzeiten den Charakter einer Landschaft ebenso, wie umgekehrt das Klima und der Boden die Arten und den Charakter der dort wachsenden Bäume bestimmen. 

 

Um überleben zu können, müssen sich Bäume den Gegebenheiten ihres Standorts anpassen: dem Sonneneinfall, den Temperaturschwankungen, der Stärke und vorherrschenden Richtung des Windes, der Niederschlagsmenge und dem Boden mit seinem Nährstoffgehalt, in dem sie wurzeln. 

 

Alle diese Faktoren tragen zum unendlichen Formenreichtum der Bäume bei, der in unseren Breitengraden vom knorrigen, Jahrhunderte alten Olivenbaum bis zur eleganten, schier unbezwingbaren Eiche reicht. 

 

Solange die Menschen als Jäger und Sammler lebten und lediglich kleine Flächen für den Ackerbau rodeten, blieben die auf ferne Urzeiten zurückgehenden Wälder unversehrt erhalten. Doch schnell veränderte sich das Landschaftsbild überall dramatisch durch die massiven Rodungen zur Gewinnung von landwirtschaftlichem Nutzland für Ackerbau und Viehzucht, durch den wachsenden Einschlag von Nutzholz und durch die einsetzende Urbanisierung. So waren die mächtigen Urwälder, die einst Westeuropa überzogen haben, bereits im Mittelalter verschwunden. An ihre Stelle traten Wiesen und Äcker, versteppte Ebenen und verkarstete Hochflächen, Straßen und Städte. 

 

Seit jener Zeit ist weltweit ein Großteil des naturgegebenen Reichtums unseres Planeten unwiederbringlich zerstört worden. Doch inzwischen hat die Einsicht Raum gewonnen, dass Bäume, Wälder und alle damit verbundenen Lebensformen für den Fortbestand des Lebens auf der Erde unabdingbar sind. 

 

Es bleibt zu hoffen, dass dieses Umdenken dauerhaft ist, denn jeder Baum - auch in unseren Breiten, in denen es praktisch keine unberührte Natur mehr gibt - verdient unsere Bewunderung und unseren Schutz.

Schwebende Eichen (Damnatz, Januar 2010)
Schwebende Eichen (Damnatz, Januar 2010)

„Die Jahrhunderte werden immer kürzer“  mahnt eine Tafel am Elbdeich in Damnatz (Kreis Lüchow-Dannenberg), auf der die Jahreszahlen der letzten großen „Jahrhundertfluten“ verewigt sind: 1795, 1876, 1988, 2002, 2003, 2006 - und nun schon wieder im Januar 2010. Zum Glück hielten in den letzten Jahren die Deiche an der Elbe den Rekord-Wassermassen stand. 

 

Was für die unmittelbaren Deichanwohner eine Zeit voller Ungewissheit und drückender Sorge um Haus und Hof ist, ist für den Fotografen eine außergewöhnliche Chance auf einmalige Motive: Das nahtlos übergehende Grau von Wasser und Himmel lässt die Jahrhunderte alten Eichen für den phantasievollen Betrachter fast schwerelos im Nichts schweben.

Einzelgänger (Klein Chüden, April 2012)
Einzelgänger (Klein Chüden, April 2012)

Wenn sich diese perfekt gewachsene, mächtige Eiche nicht dazwischen drängen würde, könnte dieses Zusammentreffen von leuchtend-gelbem Raps und strahlend-blauen Himmel beinahe an die blaugelbe Flagge der Ukraine erinnern.

 

In der Nationalflagge der Ukraine symbolisieren übrigens die beiden Farben das typische Landschaftsbild der Kornkammer Europas, wobei das Gelb im unteren Teil der Flagge für die reifen Getreidefelder und das Blau im oberen Teil für den Himmel darüber steht.

Die Bäume von Pripyat (Pripyat (Ukraine), Mai 2011)
Die Bäume von Pripyat (Pripyat (Ukraine), Mai 2011)

In der Stadt Pripyat - nur vier Kilometer vom explodierten Atomreaktor von Tschernobyl entfernt - lebten bis zu ihrer Evakuierung im März 1986 knapp 48.000 Menschen. 

 

Heute - ein gutes Vierteljahrhundert nachdem der Mensch diese radioaktiv verseuchte Region dauerhaft verlassen musste - erobert sich die Natur diesen Raum zurück. 

 

Zähe Birken und Erlen sind durch den Asphalt der menschenleeren Straßen und verwaisten Plätze gebrochen und begrünen eine Geisterstadt, die wegen der extrem hohen und lang anhaltenden Verstrahlung durch Uran, Plutonium und Americium für Tausende von Jahren für den Menschen unbewohnbar bleiben wird. 

 

Bei genauem Hinsehen sind deutliche Spuren der Strahlenbelastung an den Pflanzen zu erkennen: Kiefern bilden dürre Angsttriebe mit kurzen, dichten Nadeln aus, die eher an Rasierpinsel erinnern, und Eichen entwickeln seit 1986 jedes Jahr erneut völlig deformierte Blätter.

Infolge der Strahlung deformierte Eichenblätter aus der Region Tschernobyl aus: Zhores Medwedjew: „Das Vermächtnis von Tschernobyl“ (1990)
Infolge der Strahlung deformierte Eichenblätter aus der Region Tschernobyl aus: Zhores Medwedjew: „Das Vermächtnis von Tschernobyl“ (1990)
Bauminsel (Lübeln, Juni 2012)
Bauminsel (Lübeln, Juni 2012)

Lautlos gleitet der Heißluftballon auf Lüchow zu. Unter mir erstrecken sich bis zum Horizont die Äcker und Felder - von der modernen Land-wirtschaft auf Effizienz getrimmt und ähnlich der Schokoladenwerbung „quadratisch, praktisch, gut“. 

 

Nur ein einzelner Landwirt scheint eine Laune der Natur zu respektieren und lässt diese Bauminsel auf seinem riesigen Acker stehen. Vielleicht sind es aber auch nur einige schützende Paragraphen irgendeiner Verordnung zum Landschaftsschutz, die diesen kleinen Mikrokosmos bewahren. 

 

In Zeiten fehlender Feldhecken werden nicht nur die Tiere für diese winzige ökologische Nische dankbar sein, sondern auch ich erfreue mich aus meiner erhabenen Perspektive an diesem seltenen Juwel und dem prächtigen Farbenspiel dieses Augenblicks.

Wellen im Korn (La Foce (Toskana / Italien), Mai 2010)
Wellen im Korn (La Foce (Toskana / Italien), Mai 2010)

Wer denkt beim Anblick der schlanken, säulenförmigen Zypressen nicht sofort an Italien? Besonders die Region der Toskana ist für ihre Zypressen bekannt, die nachhaltig das Bild dieser Region geprägt haben. 

 

Auch die Italiener haben zu diesem Baum eine lange und besondere Beziehung: Seit Jahrhunderten wird die immergrüne Zypresse im Mittelmeerraum als Symbol der Fruchtbarkeit verehrt. 

Methusalem der Olivenbäume (Lago Trasimeno (Umbrien / Italien), April 2010)
Methusalem der Olivenbäume (Lago Trasimeno (Umbrien / Italien), April 2010)

Der Heilige Franz von Assisi verbrachte die Fastenzeit des Jahres 1211 auf dieser Insel (Isola Maggiore) im Trasimenischen See, die heute durch ihre oft mehrere hundert Jahre alten Olivenbäume berühmt ist. 

 

Es heißt, eines Tages kam der Heilige Franz an alten Olivenbäumen vorbei, in denen viele Vögel saßen. Da sagte Franz zu seinen Ordensbrüdern, die ihn begleiteten: „Lasst uns eine Weile hier ausruhen. Ich möchte meinen Geschwistern, den Vögeln, eine Predigt halten.“

 

Franz hatte kaum zu predigen begonnen, da kamen alle Vögel angeflogen und lauschten seinen Worten: „Meine lieben Schwestern und Brüder Vögel“, sagte Franz. „Gott hat euch die Freiheit geschenkt. Ihr könnt fliegen, wohin ihr wollt. Ihr findet überall reichlich Futter, Bäume, in denen ihr eure Nester bauen und Bäche und Seen, aus denen ihr trinken könnt. Und Gott hat euch ein wunderschönes Federkleid geschenkt. Seid ihm für alles dankbar und lobt ihn mit eurem wunderbaren Gesang.“

 

Nachdem Franz die Vögel gesegnet hatte, zwitscherten und jubilierten sie und flogen in alle Himmelsrichtungen davon. Da sagte Franz zu seinen Freunden: „Von den Vögeln können wir lernen. Lasst uns wie sie Gottes Lob durch die ganze Welt tragen.“

Eichen-Korona (Göhrde, März 2012)
Eichen-Korona (Göhrde, März 2012)

Flauschige Schäfchenwolken, tief stehende Sonne und einige uralte, knorrige Eichen im Gegenlicht: Eine solche Stimmung lässt längst vergangene Zeiten anklingen, in denen Bäume noch Zauberkräfte hatten und im Rascheln ihres Laubs die Stimme der Götter zu hören war. 

 

In den alten Religionen, Mythen und Sagen ist die Eiche seit Menschengedenken ein heiliger Baum. So wurde z.B. durch den römischen Geschichtsschreiber Plinius den Älteren überliefert, dass die Kelten ohne Eichenlaub keine kultischen Handlungen vollzogen. 

 

Die sakrale Bedeutung der Eichen für die Kelten ist auch daran zu erkennen, dass das keltische Wort Druide (Priester) von duir abgeleitet ist, was Eiche bedeutet. Auch die Wörter Türe und Tor haben ihren Ursprung im keltischen duir

 

Übrigens: Wer bei den Kelten widerrechtlich einen Eichenhain fällte, der war dem Tode geweiht...

Blaue Stunde (Klosterruine Spithal bei Bergen/Dumme, Februar 2012)
Blaue Stunde (Klosterruine Spithal bei Bergen/Dumme, Februar 2012)

In Spithal bei Bergen an der Dumme stehen - umgeben von knorrigen Eichen - die Reste einer Feldsteinkapelle aus dem 12. Jahrhundert. Dieses kleine Kirchlein war ein wichtiger Außenposten des Klosters Ebstorf bei Uelzen und unterstützte die Christianisierung des heidnischen Wendlands. 

 

Auch heute ist diese eichenumsäumte Ruine noch ein durch und durch  mystischer Ort, der besonders in der „Blauen Stunde“ nach Sonnenuntergang noch zusätzlich an Reiz gewinnt.

Der Mond ist aufgegangen... (Nemitzer Heide, Januar 2012)
Der Mond ist aufgegangen... (Nemitzer Heide, Januar 2012)

Tagsüber und insbesondere bei Sonnenschein ist die Nemitzer Heide ein beliebtes Wandergebiet und die sandigen Wege durch die violett blühenden Heidesträucher laden zum Barfuß-Spaziergang ein. 

 

In dieser eisigen, klaren Januarnacht bei -17 Grad herrscht absolute Stille, als schließlich der Mond hinter den fünf kahlen Birken aufgeht und langsam in den unendlich klaren Sternenhimmel steigt.

 

Während der zwei Stunden, die ich auf die richtige Lichtstimmung gewartet habe, kam mir ein altes Volkslied in den Sinn, das meine Großmutter früher oft zusammen mit mir sang:  

 

        Der Mond ist aufgegangen,
       Die goldnen Sternlein prangen
       Am Himmel hell und klar;
       Der Wald steht schwarz und schweiget,
       Und aus den Wiesen steiget
       Der weiße Nebel wunderbar.


                             Matthias Claudius (1778)

Sonnenaufgang auf einer Pusteblumen-Wiese (Jahrsau, Mai 2011)
Sonnenaufgang auf einer Pusteblumen-Wiese (Jahrsau, Mai 2011)

Entlang der ehemaligen DDR-Grenze zieht sich das sogenannte „Grüne Band“: der einstige Todesstreifen zwischen den beiden deutschen Staaten, der über 60 Jahre lang für die Menschen tabu war. In diesem Grenzgebiet war und ist die landwirtschaftliche Nutzung beschränkt und daher hat sich ein einzigartiges Rückzugsgebiet für Pflanzen und Tiere gebildet. 

 

Kurz vorfünf baue ich - noch im Dunkeln mit klammen Fingern - das Stativ für die Kamera auf, während die Nachtigallen ein letztes Abschiedslied für die verbleichende Nacht anstimmen.

 

Ein erster Hauch von blau-violetter Dämmerung lässt sich erahnen und ich nehme um mich herum immer deutlicher das silberne Meer aus glitzerndem Morgentau und weiß-schimmernden Pusteblumen wahr.

 

Noch ist die Welt um mich herum dunstverschleiert, nur einige einzelne Baumriesen ragen wie Leuchttürme aus dem wabernden Nebelmeer hervor und wie in Zeitlupe kriecht der neue Tag hinter dem Horizont hervor.

Sonnengold (Elbufer bei Dömitz, Juli 2010)
Sonnengold (Elbufer bei Dömitz, Juli 2010)

Am Elbstrand sitzen, die Füße im Fluss baumeln lassen, den kühlen Weißwein aus dem Picknickkorb genießen und in dieser Stille dem gleißend-goldenen Sonnenuntergang hinter den Jahrhunderte alten Eichen zusehen, die wie schwarze Scherenschnitte vor dem Horizont stehen. 

 

Gibt es einen schöneren Ausklang des Tages?