Fotoausstellung "Die fünfte Jahreszeit"

Photo Exhibition "The Fifth Season"

       Ausgestellt vom 1. - 25. Juni 2011 im Atelier Sepalika, Klein Breese

       und vom 17. - 28. Mai 2012 im Rundlingsmuseum Lübeln

Der Hintergrund

Nur wenige Menschen außerhalb des Wendlands wissen, dass es hier eine fünfte Jahreszeit gibt: keinen Samba-Karneval wie in Rio, keinen spätsommerlichen Monsunregen wie in Indien, sondern den alljährlichen CASTOR-Transport im November. 

 

Wie ein wiederkehrender, allerdings allseits ungeliebter Feiertag bringen der CASTOR-Transport, die rührigen Atomkraft-Gegner und natürlich die mehr als 20.000 anrückenden Polizisten das normale Leben zum Stillstand. 

 

Denn dann gibt es knatternde Polizeihubschrauber statt klappernder Störche, bedrohliche Wasserwerfer statt fröhlicher Radler, gesperrte Straßen und Bahnlinien statt freier Fahrt und ätzendes Tränengas statt frischer Landluft.

 

Die Idee

Zehn ausgewählte Bilderpaare erzählen davon, wie die Ereignisse rund um jeden CASTOR-Transport den Lauf der Zeit im Wendland aus den Angeln heben, und geben überraschende Einblicke hinter die Kulissen des alljährlichen Ausnahmezustands.

GELB

Wenn im Sommer das leuchtende Gelb der Sonnenblumen das Wendland überzieht, entdecken immer mehr Ausflügler und Urlauber den Charme dieses anrührenden Landstrichs, wo die Zeit manchmal stillzustehen scheint.

 

"Sonnenkraft"
"Sonnenkraft"

 

Doch die Wenigsten wissen, dass auch im Herbst viel strahlendes Gelb das trübe Novembergrau durchbricht: Dann stellen viele der besorgten Dorfbewohner ihre selbst bemalten „Atommüllfässer“ als Mahnung gegen den bevorstehenden CASTOR-Transport auf und beziehen unmissverständlich Stellung. 


"Strahlenkraft"
"Strahlenkraft"

 

Nicht selten spalten sich dabei Dorfgemeinschaften, Sportvereine und sogar Familien für eine Weile in die unversöhnlichen Lager der Atomkraft-Befürworter, die zu Hause bleiben, und der Widerständler, die in jedem Jahr wieder ihre Meinung bei Minusgraden auf der Straße kundtun.

ROT(H)

An lauen Sommerabenden taucht die untergehende Sonne die Elbauen in leuchtendes Goldrot und die Jahrhunderte alten Eichen wirken vor dieser grandiosen Kulisse beinahe wie filigrane Scherenschnitte.

 

"Abendrot in den Elbauen"
"Abendrot in den Elbauen"

 

Bei der politischen Opposition in Berlin gilt es inzwischen als chic oder zumindest opportun, sich möglichst medienwirksam während des alljährlichen CASTOR-Transports im Wendland sehen zu lassen. So leuchtet gelegentlich in der Fahnen schwenkenden Menge der Demonstranten Claudia Roths markanter Rot(h)-schopf und erinnert farblich an sommerliche Sonnenuntergänge am Elbstrand. 

 

"Rot(h)schopf in der Menge"
"Rot(h)schopf in der Menge"

GRÜN

Noch gibt es beinahe unberührte Flecken im Wendland, an denen sich im Frühling ein intakter Laubwald in seinem Leuchtendgrün präsentiert: Buschwindröschen, Waldmeister und auch der selten gewordene Bärlauch recken sich dort den ersten Sonnenstrahlen entgegen.

 

"Maigrün im Frühling"
"Maigrün im Frühling"

 

Im November fallen dann zusammen mit den über 20.000 (!) Polizisten aus ganz Deutschland mehr als 3.000 (!) Polizeifahrzeuge in die herbstliche Landschaft ein. Dabei erinnern besonders die grün lackierten Wasserwerfer daran, dass nach jedem „heißen Herbst“ auch ein neuer Frühling mit frischem Grün kommen wird.

 

Ach, übrigens: Wo ist Nr. 4? Womöglich beim "Wasserlassen" ...

 

"Strahlend-grün im Herbst"
"Strahlend-grün im Herbst"

EISEN

Es gibt sie noch im Wendland, die inzwischen vom Aussterben bedrohten Berufe des Stellmachers, des Sattlers und natürlich des Hufschmieds. Und in dieser verrußten Schmiede scheint es, als ob die Zeit stillgestanden hätte.


"Runde Eisen"
"Runde Eisen"

 

Eine andere Form des Eisens rollt die Polizei für den CASTOR jedes Jahr kilometerlang im Wendland aus: den Stacheldraht.

 

Nachdem die innerdeutsche Grenze gefallen war, glaubte man im Wendland, dass fortan keine Zäune mehr die Straßen und Schienenwege zerschneiden würden. Doch im November eines jeden Jahres werden die Einwohner von Neuem eines Besseren belehrt.  Jedes Jahr wieder macht sich ein sehr beklemmendes Gefühl breit, wenn sich der Staat in dieser Weise vor seinen eigenen Bürgern schützen muss.

 

"Scharfes Eisen"
"Scharfes Eisen"

PFERD

Bei den Dannenberger Reitertagen im September treten Hunderte von großen und kleinen Pferdenarren in den zahlreichen Wettbewerben an und mancher Turniersieger bezaubert das fachkundige Publikum sowohl durch eine fehlerfreie Leistung als auch durch ein zufriedenes Lächeln. 


"Das Pferd - dein Freund"
"Das Pferd - dein Freund"

 

Auch der nasskalte November bringt Pferde und Reiter in das Wendland - auf deren Jacken und Sätteln prangt jedoch in großen Lettern das Wort „Polizei“. Ein außergewöhnliches Detail: das schützende Visier vor den Augen des Polizeipferdes.

 

"Das Pferd- dein Freund und Helfer"
"Das Pferd- dein Freund und Helfer"

ABFLUG

Als ob sie das Versprechen ihrer Wiederkehr einlösen wollten, kommen in jedem März Hunderte von Störchen zu ihren Nistplätzen in die Dörfer des Wendlands zurück. 

 

Beinahe majestätisch wirkt es, wenn sich der Storch mit seiner Flügelspannweite von rund zwei Metern zum Abflug bereit macht.

 

"Abflug bei Tag"
"Abflug bei Tag"

 

Wie lästige Insekten wirken dagegen die knatternden Polizei-Hubschrauber in der Zeit des CASTOR-Transports, die sowohl bei Tag als auch bei Nacht ihre Patrouillenflüge über die Straßen und Schienen machen.

 

"Abflug bei Nacht"
"Abflug bei Nacht"

RAST AUF REISEN

Auf einer prächtigen Strockrosenblüte mit glitzerndem Morgentau macht ein Vogelwicken-Bläuling-Falter in einem Bauerngarten Rast. 

 

"Neulich in der Blüte"
"Neulich in der Blüte"

 

Direkt vor der kleinen Pressetribüne am Dannenberger Verladekran halten die elf CASTOR-Waggons für einen kurzen Rangierstopp. Viele der am Gleis anwesenden Medienvertreter sind sehr erstaunt und besorgt, als mein Geigerzähler von den ortsüblichen 0,12 auf 4,19 Mikrosievert pro Stunde emporschnellt und damit schon zehn Meter vom CASTOR entfernt das 35-Fache der hier üblichen, natürlichen Hintergrundstrahlung anzeigt.

 

"Neulich am Gleis"
"Neulich am Gleis"

KREATIVE KÖPFE MIT IHREM HANDWERKSZEUG

Nach getaner Arbeit - in diesem Fall der traditionellen Mahd mit der Sense und dem Binden und Aufstellen der Getreidegarben - spielen die Dorfmusikanten wie in jedem Juli beim historischen Erntefest „Vörgodendelsdag“ in Schnega auf. Und wenn die Musiker ihren Durst löschen, werden die glänzenden Blasinstrumente an die goldgelben Garben gelehnt - farblich fast Ton in Ton. 


"Dorfmusikanten mit ihren Instrumenten"
"Dorfmusikanten mit ihren Instrumenten"

 

Wie ein Rudel sensationsgieriger schwarzer Wölfe wirkt dagegen die Medienmeute mit ihren Kameras am Dannenberger Verladebahnhof, wenn schließlich der erste 120 Tonnen schwere CASTOR-Behälter mitsamt seiner strahlenden Fracht am Haken schwebt und vom Bahnwaggon auf den LKW-Schwertransporter für die 20 Kilometer lange Weiterfahrt auf der Straße nach Gorleben umgeladen wird.

 

"Presse-Meute mit ihren Kameras"
"Presse-Meute mit ihren Kameras"

WINTERSONNE

Seit Jahrhunderten ist das winterliche Elb-Hochwasser fester Bestandteil im Jahresrhythmus und türmt unter der kalten Januarsonne bizarre Eisland-schaften am Flussufer auf.


"Wintersonne über dem Elbhochwasser bei Damnatz"
"Wintersonne über dem Elbhochwasser bei Damnatz"

 

Ähnlich skurril mutet das Erkundungsbergwerk für das geplante nukleare Endlager unter dem stahlblauen Winterhimmel an und wirkt wie eine klaffende Wunde im dichten Gorlebener Nadelwald. 


Über 1,6 Milliarden Euro wurden hier seit 1983 über Tage und in 840 Meter Tiefe verbaut, obwohl immer noch nicht klar ist, ob dieser Salzstock den Atommüll für die nächsten 1.000.000 Jahre - also für 30.000 Generationen und über mehrere Eiszeiten hinweg - sicher verschließen kann.

 

"Wintersonne über dem Endlager-Bergwerk bei Gorleben"
"Wintersonne über dem Endlager-Bergwerk bei Gorleben"

AM ENDE DES TAGES

Am Elbstrand sitzen, die Füße im Fluss baumeln lassen, den kühlen Wein aus dem Picknickkorb probieren und in dieser Stille den goldenen Sonnenuntergang genießen - gibt es einen schöneren Ausklang des Tages?

 

"Sonnenglut an der Elbe"
"Sonnenglut an der Elbe"

 

Wie viel Disziplin erfordert es hingegen von diesen beiden Polizisten aus Rostock, bei Nacht im eisigen Novemberregen die Bahnstrecke zu bewachen, über die der CASTOR im Morgengrauen rollen wird. Was sie wohl in ihrem Inneren über diesen Einsatz denken? Von vielen Polizisten ist bekannt, dass sie Atomkraftgegner sind und doch den CASTOR-Transport durchsetzen müssen. 

 

"Novemberregen an den Schienen"
"Novemberregen an den Schienen"

Eine Anmerkung zum Schluss:

Wer sind die eigentlich?

Wer sind diese Atomkraft-Widerständler eigentlich, die jedes Jahr im November erneut zu Tausenden gegen den CASTOR auf die Straße gehen? Krawallmacher? Chaoten? Linke? Aussteiger? 


Nein, es sind einfach Menschen wie du und ich.

Es sind Menschen, die nicht auf das vermessene Versprechen der Politiker vertrauen, dass hochradioaktiver Atommüll im Gorlebener Salzstock für eine Million Jahre sicher verscharrt werden kann. 

 Es sind besorgte Menschen, die schon heute Verantwortung für künftige Generationen übernehmen.


Und es sind Menschen, von denen und für die diese Bilder gemacht wurden.